Essgewohnheiten ändern: Warum es schwer ist – und wie es trotzdem gelingt

22.12.2024

Viele von uns möchte ihre Ernährung verbessern und wissen, gesunde Ernährung ist entscheidend für Wohlbefinden, Energie und Gesundheit. Trotzdem fällt es oft schwer, ungesunde Essgewohnheiten zu durchbrechen. Warum ist das so? Die Antwort finden wir häufig in unseren Gewohnheiten – tief verankerten Mustern, die unbewusst ablaufen. Der Schlüssel liegt darin, dein Verhalten nachhaltig anzupassen.

Hier erfährst du, wie Gewohnheiten entstehen, warum sie so hartnäckig sind und welche Strategien dir helfen, dein Essverhalten zu verbessern.

1. Was sind Gewohnheiten und wie entstehen sie?

 
Gewohnheiten sind automatisierte Verhaltensweisen, die durch Wiederholung entstehen und oft unbewusst ablaufen. Sie prägen unser Verhalten stärker als bewusste Entscheidungen (Ji & Wood, 2007; Gardner et al., 2011). Laut dem Sozialpsychologen Bas Verplanken verknüpft das Gehirn einen Reiz (Trigger), wie den Anblick der Couch, mit einer Reaktion (z. B. Chips essen). Je häufiger diese Verknüpfung wiederholt wird, desto automatischer läuft sie ab (Neal, Wood & Quinn, 2006).

Charles Duhigg beschreibt in seinem Buch The Power of Habit den „Habit Loop“, der aus drei Komponenten besteht:

  • Auslöser (Cue): Ein Reiz, der das Verhalten initiiert.
  • Routine: Das eigentliche Verhalten, das auf den Auslöser folgt.
  • Belohnung (Reward): Ein positiver Effekt, der das Verhalten verstärkt und seine Wiederholung fördert.

Besonders hartnäckig sind negative Gewohnheiten, die oft selbstverstärkende Kreisläufe bilden: Nach einem langen Arbeitstag greifst du vielleicht zu Fertigprodukten oder Fast Food, weil die Energie oder Zeit für eine gesunde Mahlzeit fehlt. Diese ungesunde Mahlzeit macht dich oft träge und weniger motiviert, am nächsten Tag vorzukochen, was dazu führt, dass du wieder auf schnelle, ungesunde Optionen zurückgreifst. Mit der Zeit verfestigt sich dieses Muster und wird zur Gewohnheit.

Gewohnheiten wirken wie eine Kette von Dominosteinen: Ein Verhalten stößt das nächste automatisch an, oft ohne dass wir es bewusst wahrnehmen.

Um Gewohnheiten zu ändern, ist es entscheidend, das Unbewusste bewusst zu machen und den Mechanismus aus Auslöser, Routine und Belohnung zu durchbrechen. Nur so lassen sich unerwünschte Gewohnheiten ersetzen und neue, positive Routinen aufbauen, die uns nachhaltig unterstützen.
 

2. Wie lange dauert es, neue Gewohnheiten zu etablieren?
 

Du fragst dich, wie lange es dauert, bis du dir eine neue Gewohnheit angewöhnt hast? Eine Studie von Phillippa Lally und ihrem Team am University College London (2009) zeigt, dass es im Durchschnitt 66 Tage dauert, bis ein neues Verhalten automatisch wird. Je nach Komplexität und deiner Motivation kann es schneller gehen oder länger dauern. Wichtig ist: Regelmäßigkeit und Geduld sind entscheidend. Mit der Zeit wird das Verhalten zunehmend automatischer und erfordert weniger Willenskraft.

Ein Beispiel: Täglich ein Glas Wasser zum Frühstück zu trinken wird schneller zur Routine als jeden Morgen eine 30-minütige Sporteinheit durchzuführen. Für dich heißt das: Setze dir realistische Ziele und bleib konsequent dran.
 

3. Gewohnheiten vs. Regeln: Was ist der Unterschied?
 

Gewohnheiten sind fest im Alltag verankert, laufen automatisch ab und erfordern kaum Anstrengung. Regeln hingegen setzt du dir bewusst oder sie werden von außen festgelegt – sie erfordern Willenskraft und aktive Entscheidungen. Regeln dienen oft dazu, bestimmte Ziele zu erreichen oder unerwünschtes Verhalten zu vermeiden.

Beispiele:

Gewohnheit: Du greifst morgens automatisch zur Kaffeetasse, putzt dir nach dem Aufstehen die Zähne oder schaltest in einem dunklen Raum das Licht an.
 

Regel: Du nimmst dir vor, ab morgen weniger Kaffee zu trinken, dreimal in der Woche ins Fitnessstudio zu gehen oder keine Süßigkeiten mehr zu essen.
 

Das Ziel ist es oft, Regeln in Gewohnheiten zu verwandeln, damit gewünschtes Verhalten langfristig leicht und automatisch umsetzbar wird.
 

4. Einflussfaktoren auf Essgewohnheiten
 

Deine Essgewohnheiten werden von vielen Dingen beeinflusst – mehr, als dir vielleicht bewusst ist. Hier sind ein paar Beispiele:

  • Kultur und Soziales: Familie, Freunde und gesellschaftliche Normen prägen, was und wie du isst. Gemeinsame Mahlzeiten oder Traditionen beeinflussen oft deine Vorlieben.
     
  • Emotionen: Stress, Langeweile oder Freude führen oft zu unbewussten Entscheidungen, wie dem Griff zu tröstenden oder besonders beliebten Lebensmitteln, die kurzfristig für Wohlbefinden sorgen.
     
  • Prägung: Die Ernährungsgewohnheiten aus deiner Kindheit wirken bis heute nach und beeinflussen, wie leicht dir gesunde Ernährung fällt.
     
  • Verfügbarkeit: Fertigprodukte und Snacks sind oft schneller verfügbar als frische Lebensmittel, was spontane ungesunde Entscheidungen begünstigt.
     
  • Biologische Einflüsse: Dein Belohnungssystem im Gehirn wird von Hunger- und Sättigungshormonen gesteuert. Auch genetische Veranlagungen können dein Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln oder Essmengen beeinflussen.
     

Indem du diese Faktoren verstehst, kannst du bewusster mit deinem Essverhalten umgehen und gesündere Entscheidungen treffen.
 

5. Einfluss von Essgewohnheiten auf unsere Gesundheit
 

Unsere Essgewohnheiten bestimmen nicht nur, wie wir uns fühlen, sondern haben auch einen direkten Einfluss auf unsere körperliche und mentale Gesundheit. Eine bewusste Ernährung kann Krankheiten vorbeugen und unsere Lebensqualität erheblich steigern, während ungesunde Gewohnheiten langfristig schaden können.

Essgewohnheiten, die du überdenken solltest:

  • Stress- oder emotionales Essen: Du greifst zu Lebensmitteln, um dich zu beruhigen oder unangenehme Gefühle zu bewältigen.
     
  • Ablenkung beim Essen: Du isst vor dem Fernseher, während der Arbeit oder mit dem Laptop – und nimmst dabei dein Sättigungsgefühl nicht bewusst wahr.
     
  • Essen ohne Hunger: Feste Essenszeiten oder gesellschaftliche Normen führen dazu, dass du isst, obwohl dein Körper keinen Hunger signalisiert.
     
  • Essen aus Langeweile: Du isst nicht, weil du hungrig bist, sondern um dich zu beschäftigen.
     
  • Den Teller immer leer essen: Auch wenn du bereits satt bist, zwingst du dich, den Teller aufzubrauchen – vielleicht aus Gewohnheit oder Höflichkeit.
     
  • Essen als Belohnung: Du nutzt Essen als Mittel, um dich für Erfolge oder harte Arbeit zu belohnen.
     
  • Schnelles Essen: Du isst so hastig, dass dein Körper keine Zeit hat, ein Sättigungssignal zu senden.
     

6. Typische Hürden bei der Änderung von Essgewohnheiten
 

Folgende Punkte verdeutlichen, wie vielfältig die Herausforderungen bei der Umstellung von Essgewohnheiten sein können. Ein bewusster Umgang mit diesen Hürden und das Entwickeln von Strategien zu ihrer Überwindung sind entscheidend für eine erfolgreiche und nachhaltige Veränderung:

  • Eingefahrene Routinen: Alte Gewohnheiten sind schwer zu durchbrechen.
     
  • Emotionale Auslöser: Stress, Langeweile oder Traurigkeit führen oft zu ungesundem Essen.
     
  • Zeitmangel: Gesunde Mahlzeiten erfordern oft mehr Planung und Aufwand. 
     
  • Geschmackliche Vorlieben: Präferenzen für Süßes oder Fettiges erschweren die Umstellung.
     
  • Verlustangst: Die Angst, auf liebgewonnene Speisen verzichten zu müssen, kann den Veränderungsprozess behindern.
     
  • Vorurteil gegen gesunde Ernährung: Der Glaube, dass gesunde Lebensmittel weniger schmackhaft sind, hindert viele am Ausprobieren.
     
  • Verfügbarkeit ungesunder Lebensmittel: Snacks und Fertiggerichte sind leicht zugänglich.
     
  • Abhängigkeit durch verarbeitete Lebensmittel: Inhaltsstoffe wie Geschmacksverstärker, Süßstoffe, Zucker, Salz oder Weißmehl können chemische Reaktionen im Körper auslösen, die das Verlangen nach mehr verstärken.
     
  • Gesellschaftlicher Druck: In sozialen Situationen fällt es schwer, ungesunde Angebote abzulehnen.
     
  • Fehlende soziale Unterstützung: Ohne ein unterstützendes Umfeld kann es herausfordernd sein, Veränderungen in der Ernährung dauerhaft umzusetzen.
     
  • Unrealistische Erwartungen: Zu hohe Ziele führen oft zu Frust.
     
  • Fehlende Selbstregulation: Schwierigkeiten, Impulse zu kontrollieren, können dazu führen, dass du trotz besserer Vorsätze zu ungesunden Lebensmitteln greifst.
     
  • Fehlendes Wissen: Unsicherheit über gesunde Ernährung behindert den Start.
     
  • Genetische Einflüsse: Manche Veranlagungen erschweren gesunde Essgewohnheiten.
     
  • Kosten: Gesunde Lebensmittel scheinen oft teurer.
     

7. Strategien zur Änderung von Essgewohnheiten
 

Um Gewohnheiten zu ändern, ist vorerst eine ehrliche Reflexion entscheidend.

Zwei Fragen können dabei helfen:

1. Warum möchte ich die Gewohnheit ändern?

2. Kommt der Wunsch wirklich von mir?
 

Nur wenn der Wunsch zur Veränderung aus dir selbst heraus entsteht, hast du gute Chancen, das Vorhaben dauerhaft umzusetzen. Dein Gehirn versucht oft, jede Veränderung zu vermeiden und bestehende Muster beizubehalten. Das ist auch der Grund, warum sich Veränderungen oft unangenehm anfühlen, besonders am Anfang.

Ein klarer Fokus auf deine Motivation und das Bewusstsein über diese natürlichen Widerstände können dir helfen, langfristig dranzubleiben.

Strategien und Prinzipien für langfristigen Erfolg: 
So gelingt die Veränderung deiner Essgewohnheiten.

1. Reflexion und Zielsetzung

Überlege dir, warum du deine Gewohnheiten ändern möchtest: für mehr Energie, eine bessere Gesundheit oder Wohlbefinden? Setze dir kleine, erreichbare Ziele, wie „Ich esse täglich eine Portion Gemüse mehr“.

Der Ansatz der minimalen Kontinuität (Thomas Baschab, 2018) und Dr. BJ Fogg’s Tiny Habits®-Methode zeigen, dass kleine, konkrete Ziele effektiver und nachhaltiger sind als radikale Maßnahmen. Statt alles auf einmal zu verändern, beginne mit kleinen Schritten, die leicht in deinen Alltag passen.
 

2. Trigger erkennen und negative Muster ersetzen

Finde heraus, welche Situationen oder Emotionen ungesunde Gewohnheiten auslösen – wie Stress oder Langeweile – und entwickle Alternativen, wie z. B. gesunde Snacks statt Süßigkeiten.
 

3. Wenn-Dann-Pläne erstellen

Die Methode der Implementierungsintentionen (Gollwitzer, 1999) hilft, Verhaltensweisen mit bestimmten Situationen zu verknüpfen:

• „Wenn ich Lust auf einen Snack habe, dann esse ich ein Stück Obst.“

• „Wenn ich in der Kantine bin, wähle ich das Gemüsegericht.“

WOOP-Methode: Diese Strategie kombiniert Wunsch (Wish), Ergebnis (Outcome), Hindernis (Obstacle) und Plan (Plan), um Ziele zu erreichen.

• Beispiel: „Wenn ich hungrig bin, dann greife ich zuerst zu Gemüse.“
 

4. Deine Umgebung anpassen

Halte gesunde Lebensmittel griffbereit und entferne ungesunde Snacks aus deinem Sichtfeld. Plane deine Mahlzeiten vor, um spontanen Entscheidungen vorzubeugen.
 

5. Achtsamkeit üben

Iss bewusst und ohne Ablenkungen wie Fernseher oder Smartphone.

Höre auf deinen Körper und iss nur, wenn du wirklich Hunger hast, und höre auf, wenn du satt bist.

Nutze Achtsamkeitstechniken: Empfehlungen wie die der Harvard T.H. Chan School of Public Health fördern bewussteres Essen und helfen, Signale deines Körpers besser wahrzunehmen.
 

6. Unterstützung suchen

Gemeinsam und mit kleinen Erfolgen bleibst du leichter auf Kurs:

Teile deine Ziele: Sprich mit Freunden, Familie oder Experten, um Motivation und Rückhalt zu bekommen.

Feiere Erfolge: Belohne dich für Fortschritte – z. B. mit einem Spaziergang oder einer kleinen Freude, aber vermeide Essen als Belohnung.
 

7. Geduld mit dir selbst haben

Sei nicht zu streng mit dir. Rückschläge sind normal. Wichtig ist, dass du langfristig dranbleibst.
 
 

Fazit
 

Gesunde Essgewohnheiten zu entwickeln, bedeutet nicht, dass du ungesunde Lebensmittel komplett meiden musst. Entscheidend ist, dass du bewusst wählst: Gönn dir ab und zu etwas, ohne Reue, aber erlebe diesen Moment als selbstbestimmt – nicht als Ergebnis von Gewohnheit oder emotionalem Essen.

Je besser du deine Muster erkennst, desto leichter kannst du deine Entscheidungen in Einklang mit deinem Wohlbefinden bringen.

Denke daran: Die Veränderung deiner Essgewohnheiten ist ein Marathon, kein Sprint. Jeder kleine Schritt zählt. Rückschläge gehören dazu – wichtig ist, dass du geduldig bleibst und deine Ziele nicht aus den Augen verlierst. Feiere jeden Fortschritt, egal wie klein, und vertraue darauf, dass du mit jedem Tag näher an dein Ziel kommst.

„Veränderung beginnt nicht mit einem großen Schritt, sondern mit dem Mut, einen kleinen zu wagen – und dem Vertrauen, dass er der Anfang von etwas Großem ist.“ (Anonymes Sprichwort)
 
 

Falls du zu diesem Thema individuelle Fragen hast, melde dich gerne bei mir! Schreibe einfach eine mail an:
gesundessen@proaktiv4d.at

Ich freue mich, von dir zu hören! 🌱


 
 
 
 
Quelle:

https://wpgs.de/fachtexte/die-macht-der-gewohnheit/

https://www.mindset-toolbox.com/buecher/macht-der-gewohnheit?utm_source=chatgpt.com

https://lebenskompass.eu/blogs/leben/gewohnheiten-aendern

https://julianpadawan.de/blog/2017/08/gewohnheitsschleife/?utm_source=chatgpt.com

https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/gewohnheiten/gewohnheiten-100.amp?utm_source=chatgpt.com

https://castig.org/the-power-of-habit-summary-by-charles-duhigg/

https://cordis.europa.eu/article/id/173632-the-neurobiology-behind-food-choice-what-makes-us-eat-too-much?utm_source=chatgpt.com

https://cordis.europa.eu/project/id/607310/reporting?utm_source=chatgpt.com

https://gdi.ch/publikationen/studien/decoding-food-culture#attr=

https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-015-2279-2?utm_source=chatgpt.com

https://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12889-022-12787-9

https://www.eufic.org/de/gesund-leben/artikel/warum-wir-essen-was-wir-essen-huerden-beim-ndern-von-ernaehrung-und-lebensstil

https://oviva.com/de/de/essgewohnheiten/#wie-erkenne-ich-meine-essgewohnheiten

https://www.bosoo.at/neue-gewohnheiten-bilden-die-tiny-habits-methode.html

https://selfdeterminationtheory.org/SDT/documents/2000_RyanDeci_SDT.pdf?utm_source=chatgpt.com

https://www.thomasbaschab.de/?utm_source=chatgpt.com

https://woopmylife.org

https://www.uni-hildesheim.de/kulturpraxis/gewohnheiten/

https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/motivation/gewohnheiten-aendern-tipps-fuer-neue-handlungsmuster/

https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/gewohnheit-aendern-definition-psychologie-rituale-routine-selbstoptimierung-100.html

https://lexikon.stangl.eu/6140/gewohnheit?utm_source=chatgpt.com

https://scholar.google.com/citations?view_op=view_citation&hl=en&user=iawbBVYAAAAJ&citation_for_view=iawbBVYAAAAJ:kNdYIx-mwKoC

https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2005/08_2005/EU08_304_308.pdf?utm_source=chatgpt.com

https://www.ernaehrungs-umschau.de/print-artikel/12-10-2022-reduktion-emotionalen-essverhaltens-durch-ein-achtsamkeitsbasiertes-verhaltenstherapeutisches-training/?utm_source=chatgpt.com

https://fet-ev.eu/ernaehrungsgewohnheiten-aendern/?utm_source=chatgpt.com

https://www.youtube.com/watch?v=tVjkghpyyNk

https://scholar.google.com/scholar_lookup?title=The+Power+of+Habit%3A+Why+We+Do+What+We+Do+in+Life+and+Business&author=C+Duhig&publication_year=2012&

Auf Facebook teilen
Nach Oben